„ Glas muss singen “ - Sonderausstellung mit Willi Pistor und Franz Zinke

Glasgraveur Franz Zinke
Die Welt aus Glas im Hadamarer Schloss. Das Museum für Glaskunst würdigt das Schaffen des Glasschleifers Willi Pistor und des Glasgraveurs Franz Zinke in einer Sonderausstellung. Bereichert wird diese Ausstellung aber auch mit Gläsern ehemaliger Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Glasfachschule Hadamar. Eingeladen zu dieser Sonderausstellung „Glas muss singen“ hatte der „Trägerverein des Glasmuseums Schloss Hadamar e.V.“. Dessen
I. Vorsitzender, Bürgermeister Michael Ruoff, begrüßte in der Aula des Schlosses die anwesenden Gäste.
Willi Pistor, so Ruoff weiter, feierte im März diesen Jahres seinen 90. Geburtstag und Franz Zinke, der im Jahre 2013 verstarb, wäre im Juli diesen Jahres 100 Jahre alt geworden. Beide Glaskünstler waren Fachlehrer an der Staatlichen Glasfachschule Hadamar und bildeten dort jahrzehntelang Schülerinnen und Schüler aus.

Barockschrank mit gravierten Gläsern und Pokalen des Glasgraveurs Franz Zinke
Franz Zinke wurde vor nahezu 100 Jahren im Nordböhmischen Kamnitz geboren, so Wolfgang Hofmann, ehe-maliger Studiendirektor der Staatlichen Glasfachschule Hadamar und zugleich stellvertretender Vorsitzender im Trägerverein in seiner Laudatio. Zinke erlernte, der Familientradition entsprechend, das Handwerk des Glas-graveurs bei seinem Großvater. Nach Krieg und Gefangenschaft kommt er bei der renommierten Glasvered-lungsfirma Oertel in Welzheim unter und trifft dort auf Professor Oswald Dittrich, den ehemaligen Direktor der Glasfachschule in Haida. Dieser nimmt sich des jungen Kollegen an und bereitet ihn auf die Meisterprüfung vor.
Im November 1949 legte Franz Zinke an der Handwerkskammer Stuttgart die Meisterprüfung als Glasschleifer
und Glasgraveur ab. Sein Talent wird nunmehr an der Josephinenhütte in Schwäbisch Gmünd so richtig gefordert. In der Zeit von 1954 bis 1971 führt er dort anspruchsvolle Aufträge für die europäischen Adelshäuser aus und fertigt repräsentative Glasobjekte für Staatsgäste an. Seine Berufserfahrung und sein Wissen gibt er gerne an junge Menschen weiter und erhielt zum 1. April 1972 einen Lehrauftrag als Fachlehrer für Glasgravur an der Staatlichen Glasfachschule in Hadamar. 1981 erfüllte er sich einen langgehegten Wunsch, beendete seine Lehr-tätigkeit und wechselte in die Selbstständigkeit. Er knüpfte an seine frühere Tätigkeit in der Josephinenhütte an und fertigte hochwertige anspruchsvolle Glasgravuren an, unter anderem für das Bundespräsidialamt unter Richard von Weizäcker. Mit unermüdlicher Übung und Lust und Liebe zum Beruf, bringt Franz Zinke die dekorative Glasveredlungstechnik zu neuer altmeisterlicher Blüte. 1998 folgte eine Ausstellung seines Lebenswerks im Glas-museum Rheinbach. In der ständigen Ausstellung im Glasmuseum Hadamar sind in einer Vitrine und im Barock-schrank seine gravierten Kunstwerke zu bewundern. Viele seiner Exponate werden im Anschluss an diese Aus-stellung im Glasmuseum Coesfeld-Lette zu sehen sein.

Freundschaftsbecher, klares Kristallglas mit kobaltblauem Überfang von Franz Zinke
St. Georg Tiefschnitt - Kupfergravur von Franz Zinke
Wie eingangs erwähnt, feierte Willi Pistor, der zweite Jubilar, am 24. März 2025 seinen 90. Geburtstag.
14-jährig, im Jahre 1949, begann er als einer der ersten Schüler eine Ausbildung an der neueingerichteten
Glasfachschule Hadamar. Er war zudem einer der Wenigen, der in der Schliffabteilung von Herbert Petters sein handwerkliches Rüstzeug erlernte. Schon am Tag nach seiner Gesellenprüfung nahm Pistor seine Arbeit in der Glasschleiferei der Fa. Metzer & Tschernich in Hadamar auf. Mit 23 Jahren legte er seine Meisterprüfung ab.
Vier Jahre lang arbeitete er anschließend bei Hanns Model, dem berühmten Glasgestalter in Stuttgart. Nach den
Lehr- und Wanderjahren, so Hofmann weiter, kehrte er an seine einstige Ausbildungsstätte, die Glasfachschule Hadamar, als Lehrer für Glasschliff zurück. Seine Lehrtätigkeit, nahezu 40 Jahre, steht von Anfang an in enger Verbindung mit künstlerischem Schaffen, zunächst im traditionellen Stil. In den frühen Jahren bestimmte vornehmlich die Wechselwirkung von matter und glänzender Glasoberfläche seine Gläser. Seine damaligen Vasen sind noch stark von dekorativen gefäßumspannenden Elementen geprägt, wobei der gestalterische Einfluss seiner Lehrer Petters und Prof. Pfohl unverkennbar ist. Ende der 60er Jahren hat sich Pistor auf die plastische Form-gebung von Glasobjekten konzentriert. Spiegelungen und Reflexionen sind nun ein wichtiges Stilmittel. Anfang der 80er Jahre verzichtete er zunehmend auf schlifftechnische Raffinessen. Klare stereometrische Formen herrschen nun vor. Das Interesse des Betrachters wird zunehmend auf das Glasinnere gelenkt. Die Binnenstrukturen der Objekte bestehen aus Strömungslinien; Schleier aus feinen Luftbläschen scheinen im Glas zu schweben, kräftig sich wölbende große Lufteinschlüsse wirken, wie in der Bewegung erstarrt. Um diese Reize zu sehen, ist eine absolut klare, perfekt polierte Oberfläche des Glases erforderlich. Typische Arbeiten Willi Pistors sind Glasobjekte mit geometrischen Grundformen, die in einer speziellen Schmelztechnik entstanden und meisterlich geschliffen sind. Meist werden Gläser zu mehrteiligen Objekten zusammengefügt oder in einem zusätzlichen Arbeitsgang miteinander verschmolzen und auf einen Sockel gestellt. Grafische Gestaltungsmöglichkeiten werden auch durch die Verwendung hauchdünner Kupferdrähte bewirkt.

Willi Pistor ist bis zum heutigen Tag ein allseits beliebter und geachteter Pädagoge. Nicht wenige seiner zahl-reichen Absolventen haben es inzwischen selbst im Kunsthandwerk weit gebracht: Lothar Böttcher, Thomas Kruck, Gabriele Küstner, Thomas Lemke, Fritz Prehal, Samuel Weißenborn, um nur einige zu nennen. Sie berufen sich gerne und mit unverkennbarem Stolz auf ihren Lehrer, der ihnen bei den ersten Schliffversuchen zur Seite gestanden hat. Sein gestalterischer Einfluss hat sie geprägt, ebenso wie der handwerkliche Qualitätsanspruch ihrer Arbeiten. 1977 feiert Willi Pistor den ersten großen Erfolg mit dem „Ehrenpreis“ des Coburger Glaspreises. Seither zählt er zu den Wegbereitern der deutschen Studioglas-Bewegung. 1988 erhielt er auf Einladung seines ehemaligen Mitschülers Klaus Moje sogar einen mehrmonatigen Lehrauftrag an der School of Art in Canberra, Australien. Willi Pistor wurde im Sommer 1997 offiziell pensioniert. Selbst im Ruhestand, so Wolfgang Hofmann abschließend, experimentierte er mit farbigen UV-Klebern. Diese Kleber wurden von ihm sowohl als monochrome Farbakzente bei Klargläsern als auch als expressive Farbmischungen bei Flachglasbildern eingesetzt. Er bevorzugte Aquarellfarben, die er auf matte Glasoberflächen auftrug.

Der „Trägerverein des Glasmuseums Schloss Hadamar e.V.“ verlieh Willi Pistor im Jahre 2018 die „Ehren-mitgliedschaft“. Bis heute zeigt er noch reges Interesse an der Entwicklung des Glasmuseums Schloss Hadamar.

Glasschleifer Willi Pistor
Rundscheibe, Floatgläser, paarweiser Zuschnitt der Gläser, inmitten Malerei mit Deckfarben, UV-verklebt von Willi Pistor
Glasobjekt mit Einschmelzung und schwarzer Deckfarbe von Willi Pistor
Farbige Vielfalt, Optiwhite- oder Float- gläser, paarweiser Zuschnitt der Gläser, inmitten Malerei mit Deckfarben von Willi Pistor
Mit Liedern von Louis Armstrong, Tom Petty und Phil Collins wurde die Veranstaltung mit Sebastian Prang am Flügel sowie dem Trompetenduo Peter und Stefan Titz musikalisch umrahmt und verlieh dem Abend eine besondere Atmosphäre. Im Anschluss daran konnten die Gäste bei einem Glas Sekt die beeindruckende Sonderausstellung im Glasmuseum besichtigen, in dessen Vitrinen 150 Glasexponate von beiden Glaskünstlern und ehemaligen Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Glasfachschule Hadamar ausgestellt sind, zusammen-getragen von den Kuratoren Wolfgang Hofmann und Reiner Eul

Die Sonderausstellung „Glas muss singen“ ist noch bis Ende Dezember 2025 zu sehen. Das Glasmuseum Schloss Hadamar ist jeweils samstags und sonntags von 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Der „Trägerverein des Glas-museums Schloss Hadamar e.V.“ freut sich auf Ihren Besuch.

Blick in die Ausstellung „Glas muss singen“ mit Willi Pistor und Franz Zinke sowie Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Glasfachschule Hadamar


Bericht und Fotos von Jürgen Lanio (05/2025)

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